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Menstruation im Mittelalter: Wie war es wirklich?

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten
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Menstruation im Mittelalter
Nein, es gibt kein Blutbad!
Menstruation Mittelalter

Um die Periode ranken sich zahlreiche Mythen und viele Gerüchte halten sich hartnäckig. Doch wie war das eigentlich so im Mittelalter? Gab es Binden? Hatten die Frauen überhaupt ihre Periode? Agnes Zankl, ein Mitglied des Vereins "Wienische Hantwërcliute 1350" hat sich etwas genauer mit diesem Thema befasst und sie hat uns einen interessanten Einblick in das Leben bzw. die Menstruation im Mittelalter geliefert. Vielen Dank an dieser Stelle, liebe Agnes, für deine Zeit und die wirklich interessanten Informationen in diesem Interview.

Ist es wahr, dass Frauen im Mittelalter wegen Schwangerschaft oder auch Mangelernährung weniger oft ihre Tage hatten?

Das ist leider eine sehr individuelle Sache.
Die Quellen berichten, dass die Menarche damals im Alter von 9-16 Jahren erwartet wurde und die Menopause zwischen 45 und 50 Jahren lag. Das sind also ca. 30 Jahre, die abgedeckt werden müssten. Die meisten Frauen heirateten zwischen 17 und 22 Jahren. Davor waren Schwangerschaften also wohl seltener.

Wir können aufgrund von Skelettfunden und Schriftquellen davon ausgehen, dass Hunger eine Ausnahme im täglichen Erleben des Mittelalters war und die meisten Menschen ausreichend gut ernährt waren.

Natürlich verhindern Schwangerschaften und Stillzeiten auch die Menstruation während einer bestimmten Zeit. Historische Demographen rechnen mit einem natürlichen Geburtenabstand in Gesellschaften, wo nicht verhütet wird von bis zu 30 Monaten.

Man sieht also schon, die Gelegenheiten, wo Menstruationsblutungen auftraten, sind deutlich verringert. Allerdings bleiben immer noch mehrere Jahre übrig, in denen normale Menstruationsblutungen auftraten und die mussten auch versorgt werden. Und es gab ja auch Menschen, die nicht geheiratet haben und kinderlos blieben, darunter fallen z. B. auch Ordensangehörige und Beginen.

Und dazu wissen wir z.B. aus gynäkologischer Literatur aus dem Mittelalter, dass ein Ausbleiben von Menstruation, zu starke oder zu leichte Menstruation als etwas krankhaftes empfunden wurde, dem Abhilfe geleistet werden musste. Entsprechend viele medizinische Anwendungen sind uns auch erhalten geblieben, mit denen Menstruation reguliert werden kann. Man sah also offensichtlich Menstruation als relativ normales, alltägliches Vorkommnis an.

Gab es Unterschied zwischen Adligen und anderen im Bezug auf die Blutung?

Darüber wäre mir jetzt nichts bekannt. Ernährung und körperliche Aktivität können natürlich Einfluss auf die Stärke der Menstruation haben. Jemand, der nicht körperlich arbeiten muss, hat mehr Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen, wenn die Zeit im Monat gekommen ist und genießt besseren Zugang zu hygienischen und medizinischen Ressourcen. Das Erleben von Menstruation war also sicher angenehmer in höheren Schichten.

Wie sind die Menschen im Mittelalter mit der Blutung umgegangen? Welchen Wert hatte die Menstruation? (War es evtl. ein Tabu oder wurde es sogar gefeiert?)

Dazu muss man verstehen, dass das gesamte medizinische Verständnis des Mittelalters von der 4-Säfte Lehre geprägt war, die bereits in der Antike von Denkern wie Hippokrates und Galen niedergeschrieben wurde. Diese Lehre geht - wirklich stark vereinfacht gesagt - von einer Balance von 4 Säften im Körper eines jeden Menschen aus (Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Schleim). Waren diese im Gleichgewicht, war der Mensch gesund, körperlich und geistig. Und um diese Balance zu erhalten - so stellte man sich vor -, muss der Körper über verschiedene Mechanismen hin und wieder "entgiften". Bei männlichen Körpern nahm man zB an, dass das unter anderem über Körperbehaarung funktionierte, die aus dem Körper herausspriesst und bei weiblichen Körpern eben über die Menstruation. Was da also heraus kam, war etwas, das der Körper loswerden wollte, es war giftig und musste abgelassen werden. Entsprechend mied man den Kontakt mit Menstruationsblut auch möglichst.

Und natürlich bedeutete das auch, dass Menstruation im Mittelalter leider nichts war, was zelebriert wurde und es wurde auch nicht viel öffentlich darüber gesprochen, wie Menstruationshygiene ablief.

Übrigens hält sich dieser Aberglaube, dass Menstruation ein "Entgiftungs"-Mechanismus ist, bis heute hartnäckig in den Köpfen von Menschen und beeinflusst natürlich auch unseren Umgang mit Hygieneprodukten, Verhütungsmitteln und mit Menstruation im Allgemeinen.

Wie hat die Menstruation das tägliche Leben von Frauen im Mittelalter beeinflusst?

Soweit wir wissen war die monatliche Blutung keine größere Geschichte für die meisten Menstruierenden. Sie erlebten sie mit vergleichbaren Problemen wie wir. Mit Krämpfen, Stimmungsschwankungen und Co. Wir wissen z. B. aus der persönlichen Korrespondenz von der Florentinerin Margherita Datini aus dem 14. Jahrhundert, dass sie ihr Leben lang unter schweren Periodenkrämpfen litt, vermutlich ein Fall von Endometriose, da sie auch keine Kinder mit ihrem Mann bekommen konnte.
In christlichen Gesellschaften des Mittelalters wurden Menstruierende nicht vom gemeinschaftlichen Leben abgesondert während ihrer Periode und konnten ihren normalen Aufgaben nachgehen.

Menstruation beeinflusste wahrscheinlich bei vielen das Sexualleben. Kirchliche Vorschriften sahen jedenfalls vor, Sex auszusetzen während der Periode. Ob sich Paare tatsächlich immer daran gehalten haben, ist nicht wirklich überliefert, dass es vorkam, dass sie diese Regel brachen, davon ist aber auszugehen, z. B. wissen wir das aus frühmittelalterlichen Bußbüchern, die Bußmaßnahmen für verschiedene Sünden auflisteten.

Was haben die Frauen im Mittelalter benutzt? Welche Materialien?

Leider wissen wir nur wenig über die Methoden der Menstruationshygiene im Mittelalter. Sogenanntes "Freibluten" wäre eine Möglichkeit für leichte Blutungen, was aber nun leider nicht für alle Menstruierenden funktionierte und neben Menstruation waren auch Wochenbettblutungen und Inkontinenz nach Geburten eine zu bewältigende Situation.
Die wenigen Quellen, die wir kennen, erwähnen sogenannte "Lappen", also wahrscheinlich einfach Stoffstücke aus alten Kleidern geschnitten, die zusammengelegt und vermutlich mit einer Halterung zwischen den Beinen angebracht wurden, da Frauen soweit wir wissen keine Höschen trugen. Da diese waschbar sind, könnte man sie auch entsprechend wiederverwenden. Und ja, natürlich haben mittelalterliche Menschen regelmäßig Wäsche gewaschen 😉

Alles weitere ist leider Spekulation. Da wäre z. B. ein Fund einer möglichen Inkontinenzbinde aus einem spätmittelalterlichen Grab aus Grönland erwähnenswert, die vermutlich mit einem Lederstreifen als Halterung und einer Art Textilem "Pad" konstruiert war. Der Fund ist allerdings nicht ausreichend untersucht.

Gab es Hygieneprobleme?

Ja, wir wissen z. B. aus dem Schriftverkehr des Klosters Sonnenberg aus dem 15. Jahrhundert, dass die dort lebenden Ordensschwestern, die normalerweise auf Basis von Kleidervorschriften der Klöster üblicherweise Wollunterkleidung trugen, zusätzlichen Leinenstoff für Unterkleider und Laken erhielten für die Zeit ihrer "weiblichen Krankheit", weil Leinen besser waschbar war als Wolle. Kleine "Unfälle" waren also wohl nicht ungewöhnlich.

Gab es eine Art Tampon

Nicht, dass wir wüssten. Medizinische Quellen aus dem Mittelalter erwähnen Vaginalzäpfchen als medizinische Anwendungen, allerdings ist das etwas völlig anderes. Außerdem würden sich Tampons mit der medizinischen Lehre der Zeit nicht vereinbaren lassen. Das Menstruationsblut im Körper zurück zu halten, würde ja das "Gift" nicht gut abrinnen lassen.

Gibt es Überlieferungen und Aufzeichnungen?

Historische Darstellung der Trota, Mittelalterliches Manuskript um 1200

Ja, dass Menstruation alltäglich passiert, davon finden wir Erwähnungen in persönlicher und geschäftlicher Korrespondenz, lyrischen Werken, medizinischen Werken, Weisheitensammlungen, und und und.

Nur Details, die werden oft verschwiegen. Über Menstruation aus medizinischer Sicht sprechen zum Beispiel medizinische Werke der Zeit, besonders gynäkologische Kompendien wie die "Secretis mulierum" von Albertus Magnus oder die "Trotula" von Trota von Salerno. Hinweise zu Menstruationshygiene geben uns beispielsweise die Offenbarungen von St Birgitta, die Schriften des Arztes Bernard de Gordon oder Inquisitionsakten aus dem spätmittelalterlichen Frankreich.

Wie waren die hygienischen Bedingungen im Mittelalter und haben die sich auf die Monatshygiene ausgewirkt?

Die meisten mittelalterlichen Menschen hatten eine recht gute tägliche Hygiene, die sich in einfacheren Haushalten zumeist mit leichter Aschelauge, Waschlappen und Schüssel, in reicheren Haushalten mit Badeschwamm, importierter Seife und eigenem Badezimmer erledigen ließ. Dazu kamen 1-2 Badehaus Besuche die Woche, viele landwirtschaftliche Güter hatten z. B. auch gemeinschaftlich genutzte Badestuben.

Waschtag für Kleidung war alle 1-2 Wochen und man hatte mehrere Sets Unterwäsche zum Wechseln und die Betten waren mit mehreren Leinenlaken ausgestattet, die Matratze und Decke schonen sollten. Im Allgemeinen ist das schon ein Hygienestandard, der an den unserer Urgroßmütter vor der stärkeren Verbreitung von privaten Badezimmern und -wannen heran kommt. Teilweise haben Menschen in europäischen Großstädten noch bis in die 1980er und 90er hinein noch ohne eigenes Badezimmer gelebt und sind zum Duschen oder Baden zwei mal die Woche in öffentliche Badeanstalten gegangen. Ich denke also, dass sich Menstruation relativ gut managen ließ in hygienischer Hinsicht.

Vergleich mit anderen Zeiten: Wie unterscheidet sich die Menstruationshygiene und -Wahrnehmung im Mittelalter von anderen historischen Epochen oder Kulturen?

Ein gewisses Tabu rund um den weiblichen Körper und seine Vorgänge können wir mit Sicherheit in den allermeisten Epochen europäischer Geschichte - zumindest in solchen, aus denen wir Schriftquellen haben - erkennen. Und das haben wir ja bis heute nicht ganz ablegen können. Es gab aber auch andere Kulturen und Epochen, wo mit Menstruation positiver umgegangen wurde als im europäischen Mittelalter. Beispielsweise wurde im antiken Ägypten und Griechenland Menstruationsblut für religiöse Zeremonien verwendet. Aber es gibt auch diverse Kulturen, wo der Umgang mit Menstruation weniger positiv ist, wo Menstruierende als generell "unrein" angesehen wurden, was sogar auf von ihnen berührtes Essen oder Gegenstände überspringen kann und sie deshalb von der Gesellschaft separiert werden in der Zeit ihrer Periode und rituelle Reinigungen durchlaufen, bevor sie zu dieser zurück kehren können.
Mit den feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts hat sich aber einiges getan. Zum Glück.

Entwicklung im Laufe der Zeit: Konnte im Verlauf des Mittelalters eine Veränderung in der Wahrnehmung, Behandlung oder den sozialen Auswirkungen der Menstruation beobachtet werden?

Das ist schwer zu sagen, da wir aus dem Frühmittelalter z. B. weniger Schriftquellen und Bildmaterial haben und wir daher auch wenig über den Umgang mit Menstruation wissen. Allerdings spricht das wenige, was an Texten vorhanden ist, die gleiche Sprache wie im Spätmittelalter. Die medizinischen Vorstellungen der Antike, die ich schon erwähnte, waren auch im Frühmittelalter präsent.

Wobei Kirchenlehren, die sich in Spätantike, Frühmittelalter und Hochmittelalter bildeten und die manchmal relativ Frauenfeindlich ausfielen, mit ihrer stärkeren Verbreitung im Laufe des Mittelalters definitiv beigetragen haben zum Tabu um weibliche Körper.

Was man allerdings schon erwähnen sollte, ist, dass es im europäischen Mittelalter nicht nur christliche Lebensgemeinschaften gab, sondern z. B. auch jüdische und im Süden Europas muslimische. Dort war der Umgang mit weiblichen Körpern auf jeden Fall unterschiedlich zu dem christlich geprägter Gemeinschaften. Aber das würde ich an jemand übergeben wollen, der sich damit besser auskennt.

Anmerkung: Agnes hat selbst einen sehr interessanten Praxisversuch zum Thema "Menstruationshygiene im Mittelalter" gemacht. Ich empfehle euch, einen Blick auf ihren Erfahrungsbericht zu werfen.

Zur Autorin

Stefanie Wagner ist die Gründerin von ALMO (Alternative Monatshygiene) und begeisterte Trägerin ihrer eigenen Stoffbinden, Slipeinlagen und Periodenslips. Diese werden aus Bio-Baumwolle hergestellt und in Deutschland genäht. Stefanies Motto lautet: "Etwas anderes kommt mir nicht in die Hose!" Seit 11 Jahren spricht sie offen über das Tabuthema Menstruation und nimmt dabei keine Binde vor den Mund. In Ansbach hat sie den weltweit ersten Menstruationsladen 2019 eröffnet.

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